Sonntag, 26. April 2015

Gast-Kolumne: Mythos JGA

Der letzte Tag in Freiheit, Independence-Day, der Tag vor dem Tag des Jüngsten Gerichts, the point before the point of no return. Bezeichnungen dafür gibt es viele, wobei erstaunlicherweise nur der Junggesellenabschied des Mannes mit derart fatalistischen Synonymen umschrieben wird. 


Für uns Männer ist es der Tag, an dem einem gefühlte hundert Mal mitleidig auf die Schulter geklopft wird, meist verbunden mit einfallsreichen Sprüchen wie „jetzt wechselst du auch bald auf die dunkle Seite der Macht“ oder „noch ist nix passiert, noch kannst du nein sagen, muhahahaaa“ – je nachdem ob der Schulterklopfer bereits selbst glücklich im Hafen der Ehe vor sich hin dümpelt oder noch auf offener See sein Freibeuterdasein führt.

Klischees über den Polterabend des künftigen Ehemanns gibt es scheinbar unendlich viele, die wichtigsten vier seien hier nun analysiert und gegebenenfalls widerlegt. 


These 1: Beim Junggesellenabschied feiert man mit seinen besten Freunden.
Stimmt nicht. Menschen, die mich in ein pinkfarbenes Hasenkostüm mit Luftballons an den Ohren stecken, mir eine Kette „Kleiner Feigling“-Flaschen um den Hals hängen, am Bommelschwanz (dem des Kostüms) einen Leiterwagen festbinden, der mit Kondomen, noch mehr Kleinen Feiglings und anderen nutzlosen Dingen gefüllt ist, die ich dann an arglose hübsche (und nach Vernichtung der Feigling-Kette auch weniger hübsche) Mädels verkaufen muss – solche Menschen sind garantiert nicht meine Freunde. Und wenn, dann nur noch bis zur Hochzeit, bis sie ihre Geschenke auf den Gabentisch gelegt haben. Konsequenz ja, aber mit Hirn.

2. These: Ein Junggesellenabschied ohne Alkohol ist kein Junggesellenabschied.
Stimmt. Vorbehaltlos. Ohne jeden Zweifel. Einen Tag unter den bei Punkt 1 genannten Umständen hält niemand ohne Alkohol aus.

3. These: Ein Junggesellenabschied ohne Stripperin/Nachtclub-Besuch ist kein Junggesellenabschied.
Um zu überprüfen, ob die These bei einem selbst zutrifft, sollte man sich folgende Fragen stellen:
 
  • Bin ich betrunken genug um eine (mehr oder weniger) attraktive Frau erotisch zu finden, die sich für (mehr oder weniger) Geld und mehr oder weniger nackt vor und auf mir herumräkelt?
  • Will ich mich den Blicken meiner Freunde (oder auch zukünftigen Ex-Freunde, siehe Punkt 1) aussetzen, die sich darüber amüsieren, wie der „brave Ehemann in spe“ zum letzten Mal einen Busen vor seiner Nase tanzen sieht, der nicht seiner Frau oder der Zahnarzthelferin gehört? 
  • Habe ich in meinem bisherigen Leben so viel ausgelassen, dass ich das Versäumte nun innerhalb eines halbstündigen Lap-Dance nachholen muss?
Du konntest alle Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten? Herzlichen Glückwunsch! Hirn aus, Hose runter, Sabberlätzchen umgebunden, Kreditkarte gezückt und ab in den nächsten Strip-Club! 

Du hast eine oder mehrere Fragen mit „Nein“ beantwortet? Einem Langweiler wie Dir ist nicht mehr zu helfen, als garantiert blutdruckschonende Alternative empfehlen wir einen einstündigen Gruppen-Intensivkurs im Korbflechten an der nächstgelegenen Volkshochschule. Für größere Junggesellenabschiede gibt’s sogar Mengenrabatt.

4. These: Der Junggesellenabschied der künftigen Ehefrau kann genauso lustig sein wie der des Ehemanns.
Dazu nur so viel: Männer feiern Junggesellenabschiede, Frauen feiern Wellness-mit-Prosecco-und-Maniküre. Klingt das nach Spaß, liebe Männer? Na also. 



Aber wie auch immer man den Junggesellenabschied am Ende verbringt – man sollte ihn genießen. Denn daran wird man sich auch nach vielen Jahren erinnern, auch wenn die Erinnerung mit der Zeit zusehends verblassen wird, gerade im Vergleich zum strahlenden Tag der Hochzeit. 


Stay tuned,

Euer Christopher






Christopher Bertele ist Redakteur bei einer Fachzeitschrift. Früher hat er für den bayerischen Rundfunk Sport-Legenden interviewt und für den Kulturteil der Süddeutschen Zeitung geschrieben. Im Familien- und Freundeskreis ist er für seine Hochzeitszeitungen berühmt und macht für eine Bridezilla-Hochzeit auch schon mal den DJ. Außerdem schreibt er auf Bridezillas bloggen regelmäßig über die Männersicht auf den Hochzeitszirkus.

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